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Natürlich löste diese Nachricht bei den Festorganisatoren und im Gemeinderat, den die Bürgermeisterin am Dienstagabend informierte, wenig Begeisterung aus. "Wer denkt denn, dass da etwas nicht stimmen könnte", zeigt sich auch Centa Büttner enttäuscht. Die Jahreszahl 1007 werde in den vielen historischen Abhandlungen über Tagmersheim genannt, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden. Im Zuge der Vorbereitungen für die 1000-Jahr-Feier besorgte sich die Bürgermeisterin dann vor drei Jahren von einem Heimatforscher aus dem Neuburger Stadtteil Zell eine Kopie des angeblich 1000 Jahre alten Schriftstücks. Denn in der Urkunde ist nicht nur Tagmersheim erwähnt. Auch Großmehring (bei Ingolstadt) und Zell werden in dem Text genannt. Der handelt davon, dass König Heinrich II. die drei genannten Orte den Benediktinerinnen in Neuburg als Schenkung zukommen lässt.
Im Hauptstaatsarchiv wollte sich Centa Büttner nun für das Fest eine hochwertige Kopie dieses historischen Dokuments besorgen - und wurde von Diplom-Archivarin Sandra Scharmüller mit der unerfreulichen Auskunft konfrontiert, dass besagtes Schriftstück zwar schon sehr alt sei, aber keinesfalls aus dem Jahr 1007 stamme. Vielmehr sei es eine Fälschung aus dem 14. Jahrhundert. Dies sei in einem Nachschlagewerk namens "Monumenta Germaniae Historica" dokumentiert, in dem die Urkunden der deutschen Kaiser und Könige gesammelt sind. Bei den Schriftstücken von König Heinrich II. sei die angebliche Schenkung an die Neuburger Benediktinerinnen eigens aufgeführt. Demnach liegt die buchförmige Handschrift aus dem 14. Jahrhundert in der Bayerischen Staatsbibliothek.
Als Vorlage für die Fälschung habe eine Urkunde des Klosters Bergen (bei Neuburg) gedient, die tatsächlich von 1007 datiert. Die Benediktinerinnen seien vor rund 700 Jahren wohl bemüht gewesen, ihren Besitz nochmals abzusichern. "Ab einem gewissen Zeitpunkt im Laufe der Jahrhunderte wussten wahrscheinlich die Benediktinerinnen selber nicht mehr, ob das Schriftstück ein Original oder eine Fälschung ist", meint Sandra Scharmüller im Gespräch mit unserer Zeitung.
Für die Archivare in München ist die Tagmersheimer Situation kein Einzelfall. Immer wieder müsse man die Organisatoren von Ortsfesten darüber aufklären, dass die Datierung falsch sei oder schlichtweg die Grundlage für das Jubiläum fehle.
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Ohnehin sei es "ein reiner Zufall, wann und wo ein Ort erstmals erwähnt wird", betont die Archivarin. Schriftstücke, in denen eine Schenkung oder ein Gütertausch erwähnt wird, seien normalerweise nicht datiert. Den Zeitpunkt könne man lediglich aufgrund der Leute, die in dem Text vorkommen, auf einige Jahre genau eingrenzen.
Für die Tagmersheimer ist das nur ein schwacher Trost. Bereits im Januar sollte mit einem Gottesdienst die 1000-Jahr-Feier eingeläutet werden. Ein Festwochenende vom 20. bis 22. Juli 2007 sowie Vorträge, Führungen und sonstige Aktionen das ganze Jahr über gehören ebenfalls zum geplanten Programm. Die Meinungen, wie es nun weitergehen soll, seien derzeit geteilt, berichtet Centa Büttner, "das muss sich wohl erst noch verfestigen". Die Bürgermeisterin vertritt die Ansicht, dass 2007 auf jeden Fall gefeiert werden soll "Man muss da positiv denken und das Beste draus machen", appelliert sie an die Bürger des 800-Einwohner-Dorfs.
Um möglicherweise doch noch einen konkreten historischen Anlass für das Fest zu finden, hat die Rathaus-Chefin bereits mit einem Historiker in München Kontakt aufgenommen. Der gehöre einem Arbeitskreis an, der Erfahrung mit solchen Situationen habe und jetzt in den Archiven nach Begebenheiten suche, die mit Tagmersheim zusammenhängen.
Als Alternative zur "1000-Jahr-Feier" könnten die Feierlichkeiten in Tagmersheim auch als "historisches Fest" oder "Schlossfest" bezeichnet werden, schlägt die Bürgermeisterin vor. Über eine lange und ereignisreiche Geschichte verfüge das Dorf allemal. Zudem wäre ein solches Fest eine Gelegenheit, die Dorfgemeinschaft zu festigen. Und die Ankündigung, alle Leute einzuladen, die in Tagmersheim geboren sind oder dort schon einmal gelebt haben, sei bereits auf eine bemerkenswerte Resonanz gestoßen. Bis aus den USA hätten sich ehemalige Bewohner gemeldet. Prominenteste Tagmersheimerin ist bekanntlich Doris Schröder-Köpf, die Ehefrau des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder.
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